Bericht Expertentelefon „Sterbehilfe“ am 30.10.2014

Sterbehilfe ist kein Tabu mehr - Ratgeberaktion zu vielen Fragen rund um die Sterbevorsorge

Leserfragen Expertentelefon „Sterbehilfe“ am 30.10.2014

Mich würde interessieren, wie der aktuelle Stand der Dinge in Sachen Sterbehilfe ist. Welche Formen der Sterbehilfe sind erlaubt und welche verboten?

Wolfgang Putz, Rechtsanwalt, München (Kanzlei Putz – Sessel – Steldinger / Kanzlei für Medizinrecht):Erlaubt ist die sogenannte passive Sterbehilfe. Hier lässt man nach dem Willen des Patienten das Sterben an der Krankheit ohne künstliche Lebensverlängerung zu, beziehungsweise man beendet eine laufende künstliche Lebensverlängerung, etwa eine künstliche Beatmung oder Magensonden-Ernährung, damit der Patient sterben darf. Erlaubt ist auch die so genannte indirekte Sterbehilfe: Hier wird etwa beim Beginn des Erstickens an Lungenkrebs oder Lungenfibrose der Patient durch höchste Medikamentengabe vor Schmerz und Leid bewahrt, auch wenn dadurch das Leben verkürzt wird. Erlaubt ist es auch, einem freiverantwortlich und wohlerwogen handelnden Suizidenten – es handelt sich um einen so genannten Bilanzsuizid – bei seiner Selbsttötung zu helfen, ihn nicht zu hindern und ihn nicht zu retten.

Mein Vater, 75 Jahre alt, ist plötzlich schwer erkrankt. Meine Mutter lebt noch, ist aber geistig verwirrt. Ich habe keine Vorsorgevollmacht und auch keine Patientenverfügung. Welche Rechte habe ich den Ärzten gegenüber?

Wolfgang Putz: Als Sohn haben Sie gegenüber den Ärzten und auch im sonstigen Rechtsleben keinerlei Möglichkeit, den Vater zu vertreten oder mitzuentscheiden, wie er behandelt wird, wenn sie keine Vorsorgevollmacht haben. Sie müssen daher beim zuständigen Amtsgericht beziehungsweise Betreuungsgericht beantragen, als rechtlicher Betreuer für ihren Vater eingesetzt zu werden. Dann sind sie als Vertreter ihres Vaters voll handlungsfähig. Da er keine Patientenverfügung hat, müssen Sie den mutmaßlichen Willen zu seiner anstehenden Behandlung ermitteln und umsetzen.

Meine 85-jährige Mutter hat in ihrer Patientenverfügung ausdrücklich abgelehnt, dass sie künstlich ernährt werden soll. Die Ärzte sagen jetzt, dass sie ohne künstliche Ernährung bald stirbt. Kann ich mich über den Willen meiner Mutter hinwegsetzen?

Wolfgang Putz: Nein, der sorgfältig ermittelte Patientenwille der Mutter ist bindend. Schließlich wollte sie eben bald sterben, anstatt dass ihr Leiden künstlich verlängert wird. Wer sich über den Willen der Mutter hinweggesetzt und sie künstlich ernährt, begeht eine strafbare Körperverletzung.

Ich möchte für mich selbst eine Patientenverfügung erstellen. Was kann ich hier alles regeln?

Joanna Zehetmeier, Notarin aus München: In einer Patientenverfügung können Sie schriftlich Ihren Willen über die Art und Weise ärztlicher Behandlung abfassen für den Fall, dass Sie einmal selbst nicht mehr entscheiden können. Sollte dies eintreten, kann mit Hilfe der Patientenverfügung Ihr Wille in Bezug auf ärztliche Maßnahmen ermittelt werden. So können Sie – obwohl Sie dann aktuell nicht fähig sind zu entscheiden – auf ärztliche Maßnahmen Einfluss nehmen und Ihr Recht auf Selbstbestimmung wahren.

Was muss ich unter formalen Aspekten beim Abfassen einer Patientenverfügung beachten, welche Anforderungen werden da gestellt?

Joanna Zehetmeier: Da die Patientenverfügung in erster Linie eine Anweisung an den Arzt darstellt, sollten unklare Formulierungen vermieden werden. Daher empfiehlt es sich in der Regel nicht, die Patientenverfügung mit eigenen Worten zu formulieren. Vielmehr sollten Sie sich besser eines Formularmusters bedienen. Es kann auch sinnvoll sein, die Patientenverfügung mit einem Arzt Ihres Vertrauens zu besprechen. Eine Patientenverfügung muss von Gesetz wegen schriftlich abgefasst sein. Wird die Schriftform nicht gewahrt, sind mündlich geäußerte Behandlungswünsche, beziehungsweise der mutmaßliche Wille maßgeblich.

Meine Eltern sind seit 35 Jahren verheiratet und regeln alles gemeinsam. Das soll auch so bleiben, falls einer der beiden schwer erkranken sollte und es etwa um Fragen der Sterbehilfe geht. Benötigen meine Eltern eine gegenseitige Vorsorgevollmacht oder reicht es, dass sie verheiratet sind?

Joanna Zehetmeier: Nach deutschem Recht haben nur Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern ein umfassendes Sorgerecht und damit die Befugnis zur Entscheidung und Vertretung in allen Angelegenheiten. Weder der Ehegatte noch die Kinder dürfen einen Volljährigen gesetzlich vertreten. Angehörige können für einen Volljährigen nur in zwei Fällen entscheiden oder Erklärungen abgeben: Entweder aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht oder wenn sie gerichtlich bestellte Betreuer sind. Daher benötigen ihre Eltern eine gegenseitige Vorsorgevollmacht.

Ich bin alleinstehend und möchte meine Bestattungskosten mit einer Sterbegeldversicherung absichern. Wer bekommt dann im Falle meines Ablebens die Leistung – zu welcher Vertragskonstellation raten Sie mir?

TuguldurByambajav, Experte für Sterbegeldversicherungen bei den Ergo Direkt Versicherungen, Fürth: Das ist eine sehr vernünftige und vorsorgliche Entscheidung. Sie sollten das Bezugsrecht im Todesfall an die Person verfügen, die bei Ihrem Ableben mit Ihrer Bestattung betraut ist. Dies kann beispielsweise eine Person Ihres Vertrauens oder der Bestatter Ihrer Wahl sein.

Ich bin 70 Jahre alt. Kann ich in diesem Alter noch eine Sterbegeldversicherung abschließen? Welche Möglichkeiten gibt es? Muss ich Gesundheitsfragen beantworten?

Tuguldur Byambajav: Viele deutsche Lebensversicherer bieten Sterbegeldversicherungen ohne Gesundheitsprüfungen zu günstigen Beiträgen auch für Menschen im hohen Alter an. Die Aufbauzeiten sind in der Regel von kurzer Dauer. Zum Beispiel nur ein Jahr. Es empfiehlt sich auf jeden Fall, mehrere Tarife von verschiedenen Anbietern zu vergleichen.

Ich möchte mich nicht auf meine Angehörigen verlassen und für meine Bestattungsvorsorge eine Versicherung abschließen. Wie hoch sollte diese sein und wie regele ich die Auszahlung?

Tuguldur Byambajav: Die Bestattungskosten sind regional unterschiedlich, zudem kommt es auf die Ausgestaltung des letzten Weges an. Auskünfte kann Ihnen beispielsweise ein Bestatter erteilen. Wir raten unseren Kunden zu einer Absicherung in Höhe von mindestens 5.000 Euro, da neben der Bestattung oftmals noch Kosten für die Wohnungsauflösung dazukommen.

Ich habe gehört, dass es nicht nur eine Baum- oder Seebestattung, sondern auch eine Wiesen-, Fluss- oder sogar Ballonbestattung gibt. Was muss man sich darunter vorstellen, können Sie das kurz erklären?

Chantal M. Häfner, Bestatterin, Mitinhaberin des Bestattungshauses Häfner & Züfle in Stuttgart: Bei diesen Bestattungsformen wird die Asche der Verstorbenen frei in die Wiese, in den Fluss oder aus dem Ballon gestreut. In Deutschland ist dies auf Grund der bestehenden Grabpflicht nicht erlaubt, aber in einigen angrenzenden Ländern ist dies möglich.

Meine Frau und ich möchten uns später auf individuelle Weise bestatten lassen, möglicherweise entscheiden wir uns für eine Seebestattung. Was ist generell bei solchen alternativen Zeremonie organisatorisch und rechtlich zu beachten? Können wir das heute schon regeln?

Chantal M. Häfner: Das kann auf jeden Fall schon im Voraus geregelt werden. Bei der Seebestattung ist organisatorisch zu beachten, dass aufgrund unvorhersehbarer Wettereinflüsse der Beisetzungstermin auf See eventuell verschoben werden muss. Eine Seebestattung wird in Deutschland in der Nord- und in der Ostsee durchgeführt.

Meine verstorbene Mutter ist schon vor vielen Jahren aus der Kirche ausgetreten. Wir Kinder wünschen uns dennoch eine feierliche Trauerzeremonie. Was ist da möglich?

Chantal M. Häfner: Sie können sich beispielsweise für einen religionsfreien Trauerredner entscheiden. Alternativ ist es aber auch möglich, dass Sie die Trauerfeier komplett selbst gestalten und einen Menschen aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis Ihrer Mutter sprechen lassen.