BERICHT RATGEBERAKTION „Diabetes“ am 07.09.2017

Experten geben Rat, wie sich Folgeerkrankungen aufhalten lassen

Auch die Augen können unter einem erhöhten Blutzuckerspiegel leiden – schlimmstenfalls ist eine Erblindung die Folge. - Foto: djd/COLOURBOX
Auch die Augen können unter einem erhöhten Blutzuckerspiegel leiden – schlimmstenfalls ist eine Erblindung die Folge. - Foto: djd/COLOURBOX

Viele der rund 6,7 Millionen Diabetiker in Deutschland wissen zu wenig über Folgeschäden, die ihre Krankheit mit sich bringen kann. Das zeigt sich am Beispiel der Neuropathie: In der sogenannten Protect-Studie, die jetzt auf dem Deutschen Diabetes-Kongress vorgestellt wurde, wurden bei rund jedem zweiten Diabetiker Anzeichen für Nervenschäden in den Füßen festgestellt. Und obwohl sie sich bei zwei Drittel der Betroffenen sogar durch typische Beschwerden wie schmerzende oder brennende Füße bemerkbar machte, ahnten viele von ihnen nicht, dass sie an dieser Folgeerkrankung leiden.

Wenn der Diabetes Augen, Nerven, Nieren und Herz angreift

Besonders hoch war die Dunkelziffer, wenn die Neuropathie nicht schmerzhaft war, sondern sich durch eine nachlassende Sensibilität, Kribbeln oder Taubheit in den Füßen bemerkbar machte. Auch Schäden an den Nieren, Augen und am Herzen entwickeln sich häufig unbemerkt. Die Experten unserer großen Ratgeberaktion haben viele Fragen zu Ursachen sowie zu Symptomen von Diabetes-Folgeschäden beantwortet und geben Ratschläge, wie diese ausgebremst werden können.

Am Telefon und im Chat saßen

Privatdozent Dr. Alin Stirban, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie vom Sana Klinikum und den Sana Arztpraxen, Remscheid.

Prof. Dr. Hilmar Stracke, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen am Medizinischen Versorgungszentrum MVZ des Evangelischen Krankenhauses Gießen.

Dr. Helga Zeller-Stefan, Fachärztin für Innere Medizin, Ernährungsmedizin und Diabetologin, Diabetes-Praxis Essen.

Folgeerkrankungen entwickeln sich oft unbemerkt

Wer sich vor Folgekomplikationen des Diabetes schützen möchte, sollte sich regelmäßig – etwa halbjährlich – auf mögliche Schädigungen an den Nerven, Nieren, Augen und am Herzen untersuchen lassen. Da sind sich alle Spezialisten einig. Der Grund: Folgeerkrankungen entwickeln sich oft unbemerkt, können aber schwerwiegende Konsequenzen haben. So kann eine Nervenschädigung zu starken Schmerzen in den Füßen führen, aber auch ein diabetisches Fußsyndrom begünstigen.

Am Herzen kann es zu einem „stummen Infarkt“ kommen, weil die angegriffenen Nerven keine warnenden Schmerzsignale mehr senden. Auch die Nieren können unbemerkt leiden, bis sie ihren Dienst versagen. Achtet man auf eine gute Einstellung des Blutzuckers und des Blutdrucks, so ist im Hinblick auf die Vorsorge schon viel gewonnen, so der Rat der drei Experten.

Bewusst ernähren, Vitaminmangel ausgleichen

Der Lebensstil spielt bei einem möglichst gesunden Alltag mit Diabetes eine große Rolle. Dabei muss man nicht auf spezielle Diät-Produkte für Diabetiker zurückgreifen. „Wenn man sich bewusst ernährt und regelmäßig bewegt, lässt sich eine bessere Einstellung des Diabetes erreichen und Betroffene haben auf diese Weise gute Voraussetzungen, Folgeschäden vorzubeugen“, sagt Dr. Helga Zeller-Stefan.

Die Experten weisen darauf hin, dass auch ein Mangel an Vitamin B1 Neuropathien sowie Herz- Gefäßerkrankungen fördert: „Bei vielen Patienten mit Diabetes mellitus wird ein Vitamin B1-Mangel festgestellt“, erklärt Dr. Alin Stirban. Denn durch den Diabetes steigt der Bedarf an dem Vitamin oftmals erheblich an – unter anderem, weil es vermehrt über die Nieren ausgeschieden wird.

Um mangelbedingten Nerven- und Gefäßschäden entgegenzuwirken, eignet sich eine Vorstufe des Vitamin B1, das Benfotiamin. Entsprechende Präparate, wie z.B. Milgamma protekt, gibt es rezeptfrei in Apotheken. Benfotiamin kann vom Körper wesentlich besser aufgenommen werden als das normale Vitamin B1. So kann es auch mögliche Beschwerden durch Nervenschäden wie Kribbeln oder Brennen in den Füßen lindern.

Beruhigende Nachricht für Menschen, die infolge ihres Diabetes auf einmal verschwommen sehen: Laut Professor Stracke kann sich diese Situation wieder normalisieren, wenn der Blutzucker gut eingestellt wird. Geschieht dies jedoch nicht, kann die Netzhaut der Augen dauerhaft geschädigt werden. Deshalb sollten Diabetiker regelmäßig ihre Augen untersuchen lassen.

Weitere Informationsquellen für Interessierte

Das Deutsche Diabetes-Zentrum (DDZ) gibt auf seiner Homepage ddz.uni-duesseldorf.de Auskunft über Folgeerkrankungen des Diabetes. Mit Unterstützung des Bundesministeriums für Gesundheit hat das DDZ die bundesweite Initiative „Diabetes – nicht nur eine Typ-Frage“ entwickelt. Unter www.diabetes-typ.de informieren 16 kurze und erklärende Filme über Diabetes und seine Folgeerkrankungen.

Die aktuellen Forschungsergebnisse rund um das Thema Diabetes bringt das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung unter dzd-ev.de.

Die Deutsche Diabetes-Hilfe bringt als unabhängige Dachorganisation Menschen mit Diabetes und ihre Angehörigen sowie alle beruflich mit Diabetes Befassten wie Ärzte zusammen. Neuigkeiten finden sich unter www.diabetesde.org.

Die Aufklärungsinitiative „Diabetes! Hören Sie auf Ihre Füße?“ (hoerensieaufihrefuesse.de) befasst sich mit einer häufigen Folgeerkrankung des Diabetes, der Neuropathie.

experten-im-chat.de zeigt ein Chatprotokoll mit Fragen und Antworten zu diesem Thema.

EXPERTENTIPP Ratgeberaktion „Diabetes“ am 07.09.2017

Ein Diabetes bringt häufig Schäden an den Nerven und Blutgefäßen mit sich. „Das zieht verschiedene Folgeerkrankungen nach sich, etwa sogenannte Neuropathien an den Füßen. Diese Nervenschädigungen sind oft Wegbereiter für das diabetische Fußsyndrom, das zu Amputationen führen kann“, sagt Prof. Dr. Hilmar Stracke, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen am Medizinischen Versorgungszentrum MVZ des Evangelischen Krankenhauses Gießen.

Schäden an den kleinen Gefäßen können nach seinen Worten außerdem Augenerkrankungen, die sogenannte Retinopathie, und Nierenerkrankungen (Nephropathie), zur Folge haben. Stracke: „Sind die großen Gefäße betroffen, steigt das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall.“

Ein paar Punkte sollten Betroffene beherzigen, um vorzubeugen

„Man sollte die Medikamente wie vom Arzt verordnet einnehmen und zudem durch einen gesunden Lebensstil zur guten Blutzuckereinstellung beitragen“, sagt Prof. Hilmar Stracke. Außerdem seien regelmäßige Kontrolluntersuchungen sehr wichtig, um Folgeerkrankungen frühzeitig zu erkennen. Zwar mache sich eine Neuropathie meist durch beidseitig auftretende Empfindungsstörungen in den Füßen wie Kribbeln, Brennen, Taubheit oder ein nachlassende Gespür für Berührung oder Schmerzen bemerkbar.

„Die anderen Folgeerkrankungen entwickeln sich aber in der Regel unbemerkt“, erklärt der Spezialist. Begleitend gilt es nach seinen Worten, Nervengifte wie Nikotin und Alkohol zu meiden und einen Mangel an Vitamin B1 auszugleichen, der häufig bei Diabetes auftritt. Stracke: „Dieser kann Neuropathien verursachen oder verstärken.“

Zum Ausgleich eines solchen Defizits eignet sich eine Vorstufe vom Vitamin B1, das Benfotiamin. Diese gelangt besser in den Körper und in das Nervengewebe als das herkömmliche Vitamin B1. Neuropathische Schmerzen und Missempfindungen wie Kribbeln und Taubheit in den Füßen können laut dem Experten durch vitaminähnliche Substanzen wie das Benfotiamin oder die Alpha-Liponsäure gelindert werden – ansonsten könne der Arzt nur Schmerzmittel verordnen, die allerdings lediglich gegen die Symptome wirken.

LESERFRAGEN Ratgeberaktion „Diabetes“ am 07.09.2017

Meine Eltern sind beide Typ-2 Diabetiker und nun befürchte ich, auch daran zu erkranken. Wie kann ich vorbeugen? 

Dr. Alin Stirban, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, Sana Klinikum und MVZ Sana Arztpraxen Remscheid:  Ein gesunder Lebensstil ist von größter Bedeutung. Achten Sie auf Ihr Gewicht, auf eine gesunde Ernährung und ausreichende körperliche Betätigung.

Seit einigen Jahren leide ich unter einer diabetischen Neuropathie mit Kribbeln in den Füßen. Ich habe jetzt gehört, dass auch ein Mangel an Vitamin B1 etwas damit zu tun hat. Stimmt das?

Dr. Alin Stirban: Das stimmt, bei vielen Patienten mit Diabetes mellitus wird ein Vitamin B1-Mangel festgestellt. Ihr Hausarzt kann den Vitamin B1-Gehalt im Blut untersuchen, allerdings sind nicht alle Methoden gleich empfehlenswert. Sie können auch probeweise nach Rücksprache mit Ihrem Arzt ein Präparat zum Ausgleich des Mangels einnehmen.

Schon bei der Diagnose meines Diabetes hat man eine Neuropathie in meinen Füßen festgestellt. Bedeutet diese frühe Nervenschädigung, dass ich generell sehr anfällig für Folgeerkrankungen bin?

Dr. Alin Stirban: Das kann durchaus der Fall sein, deshalb ist es sehr wichtig, dass Sie sich regelmäßig auch auf mögliche Augen- oder Nierenkomplikationen untersuchen lassen.

Mein Hausarzt hat festgestellt, dass ich Eiweiß im Urin habe und meine Niere durch den Diabetes geschädigt sein könnte. Mein Blutzucker war aber in letzter Zeit immer recht gut eingestellt. Was kann ich noch dagegen tun? 

Dr. Alin Stirban: Sie sollten zusätzlich unbedingt auf eine gute Einstellung des Blutdrucks achten. Am besten lassen Sie sich zu einem Nierenspezialisten überweisen.

Kann ich durch eine Umstellung meiner Ernährung Folgeerkrankungen des Diabetes vorbeugen?

Dr. Helga Zeller-Stefan, Fachärztin für Innere Medizin, Ernährungsmedizin und Diabetologin mit Diabetes-Praxis in Essen: Durch eine bewusste und abwechslungsreiche Ernährung können Sie eine bessere Einstellung Ihres Diabetes erzielen – und das ist wiederum eine wichtige Voraussetzung, um Folgeerkrankungen an Augen, Nieren und Nerven vorzubeugen. Was bei der Ernährung zu beachten ist, erfahren Sie bei Diabetes-Schulungen, die in Arztpraxen angeboten werden.

Ich habe gerade die Diagnose Diabetes gestellt bekommen. Ist es möglich, diese Krankheit zu heilen?

Dr. Helga Zeller-Stefan: Wenn eine Diabetes frühzeitig diagnostiziert wird, kann man durch eine Umstellung des Lebensstils viel erreichen: Durch eine bewusste Ernährung und regelmäßige Bewegung kann man erhöhte Blutzuckerwerte deutlich senken – nahezu bis in den Normbereich. Dennoch sollte man weiterhin regelmäßige Kontrolltermine beim Arzt wahrnehmen.

Als Diabetiker stehe ich oft verunsichert vor den Supermarktregalen. Soll ich Produkte kaufen, die zuckerfrei sind? Was empfehlen Sie mir?

Dr. Helga Zeller-Stefan: Zuckerfreie Produkte sind nicht zwingend erforderlich, wenn Sie sich bewusst ernähren und darauf achten, dass Sie nicht zu viel zuckerreiche Lebensmittel zu sich nehmen.

Mein Mann ist seit einigen Jahren Diabetiker, hat aber sein Leben nicht verändert und behauptet immer, er spüre nichts. Was kann ich tun? Ich habe Angst um seine Gesundheit.

Dr. Helga Zeller-Stefan: Tatsächlich verursacht ein hoher Blutzuckerspiegel anfangs meist keine Symptome, dennoch schadet er dem Körper. Wenn erste Beschwerden auftreten, ist die Erkrankung meist weit vorangeschritten und hat bereits Folgeschäden, zum Beispiel an den Nerven und an den Nieren, verursacht. Daher ist Vorbeugung so wichtig, auch wenn man nichts spürt. Ihr Mann sollte sich von seinem Arzt beraten lassen, was er tun kann.

Meine Mutter leidet unter einer Neuropathie und ihr wurde jetzt Benfotiamin empfohlen. Kann ihr das helfen?

Prof. Dr. Hilmar Stracke, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen, Medizinisches Versorgungszentrum am Evangelischen Krankenhaus Gießen: Ja, zusätzlich zu einer guten Stoffwechseleinstellung ist die Einnahme von Benfotiamin eine sinnvolle Maßnahme, um der Nervenschädigung ursächlich entgegenzuwirken. Benfotiamin ist eine Vorstufe vom Vitamin B1, die der Körper leichter aufnehmen kann als das normale Vitamin B1. Ein Mangel an Vitamin B1 tritt häufig infolge eines Diabetes auf und kann Neuropathien (Nervenschäden) verursachen oder verstärken. Mit Benfotiamin kann man diesen Mangel ausgleichen, was bei vielen Patienten auch zur Linderung von Neuropathiebeschwerden wie Kribbeln oder Schmerzen in den Füßen beiträgt.

Ich hatte einen Herzinfarkt, den ich gar nicht gespürt habe. Mein Arzt sagt, das komme bei Diabetes häufiger vor. Wie kann ich einem weiteren stummen Herzinfarkt vorbeugen?

Prof. Stracke: Leider ist ein stummer Herzinfarkt eine typische Komplikation bei Menschen mit Diabetes. Da der Diabetes unter anderem eine Neuropathie (Nervenschädigung) am Herzen verursachen kann, senden die geschädigten Nerven bei einem Infarkt keine warnenden Schmerzsignale mehr. Achten Sie weiterhin auf eine gute Blutzuckereinstellung und lassen Sie regelmäßig vom Arzt Ihr Herz untersuchen.

Meine Frau ist Diabetikerin. Sie klagt in letzter Zeit darüber, dass sie verschwommen sieht. Kann das an ihrem Diabetes liegen?

Prof. Stracke: Ja, das kann am Diabetes liegen. Wenn dieser schlecht eingestellt ist, können die Augenlinsen wie ein Schwamm aufquellen. Das führt dazu, dass man verschwommen sieht. Diese Situation kann sich normalisieren, wenn der Blutzucker wieder besser eingestellt ist. Eine dauerhaft schlechte Blutzuckereinstellung kann aber auch Schäden in der Netzhaut der Augen, der Retina, verursachen. Diese sogenannte diabetische Retinopathie ist im fortgeschrittenen Stadium nicht mehr umkehrbar. Daher sollte Ihre Frau sich regelmäßig beim Augenarzt untersuchen lassen.

Wie oft soll ich zum Arzt gehen und welche Kontrolluntersuchungen sind für mich als Diabetiker sinnvoll?

Prof. Stracke: Bei gut eingestelltem Diabetes raten wir zu halbjährlichen Kontrollen. Wenn bereits Folgeerkrankungen bestehen, sind vierteljährliche Kontrollen sinnvoll.