Diabetes bleibt oft nicht folgenlos – denn die Zuckerkrankheit kann unbemerkt weitere Erkrankungen nach sich ziehen: „Der erhöhte Blutzucker führt zur ,Verzuckerung’ von körpereigenen Substanzen wie Eiweißen. Diese Verzuckerungsprodukte verursachen wiederum Schäden an Körperzellen, Nerven, Blutgefäßen und wichtigen Organen“, sagt Prof. Dr. Hilmar Stracke. Er gehört zu drei Experten, die bei der großen Ratgeberaktion viele Fragen der Anrufer und Chat-Gäste beantworteten.
Am Telefon und im Chat saßen für Sie
Privatdozent Dr. Alin Stirban, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, Leitender Arzt Diabetologie und Endokrinologie, Sana Klinikum und MVZ Sana Arztpraxen Remscheid
Prof. Dr. Hilmar Stracke, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechselerkrankungen, Oberarzt an der Medizinischen Klinik und Poliklinik III am Universitätsklinikum Gießen und Marburg
Dr. Helga Zeller-Stefan, Fachärztin für Innere Medizin, Ernährungsmedizin und Diabetologie, Diabetes-Zentrum Essen
Vorbeugen, Symptome erkennen und früh behandeln
Die erfahrenen Ärzte machten den Ratsuchenden deutlich, dass man einen Diabetes ernst nehmen sollte, selbst wenn er keine Beschwerden verursacht. „Auch wer sich gut fühlt, sollte sich regelmäßig vom Hausarzt untersuchen lassen“, sagt Dr. Helga Zeller-Stefan. „Es ist empfehlenswert, hier an Schulungen teilzunehmen, in denen Betroffene erfahren, wie sie ihre Erkrankung positiv beeinflussen und Folgeerkrankungen vorbeugen können.“
Den Blutzucker gut einstellen
Privatdozent Dr. Alin Stirban weist darauf hin, dass eine möglichst gute Einstellung des Blutzuckers, aber auch des Blutdrucks und des Fettstoffwechsels besonders wichtig sind, um Folgeerkrankungen vorzubeugen. Dazu zählen Nervenschäden (Neuropathie), Nierenschäden (Nephropathie), die in ihrer schweren Form eine Dialyse (Blutwäsche) oder Nierentransplantation erforderlich machen, aber auch Augenschäden (Retinopathie), die zu Erblindung führen können. Stirban: „Es ist darüber hinaus bekannt, dass Patienten mit Diabetes mellitus häufiger einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erleiden.
Gute Nerven bewahren
Etwa jeder dritte Diabetiker bekommt eine diabetische Neuropathie – eine Nervenschädigung, die sich meist zuerst durch Empfindungsstörungen wie Kribbeln, Schmerzen oder Taubheit in den Füßen bemerkbar macht. Eine nachlassende Sensibilität in den Füßen führt oftmals dazu, dass Wunden oder Druckstellen nicht wahrgenommen werden, wodurch sich laut Dr. Zeller-Stefan ein diabetisches Fußsyndrom entwickeln kann, das schlimmstenfalls eine Amputation nach sich zieht.
Als Therapiemöglichkeiten gegen Neuropathie-Symptome in den Füßen führt Dr. Stirban schmerzlindernde Arzneimittel, Pflaster zur lokalen Therapie oder die Einnahme von vitaminähnlichen Substanzen wie Alpha-Liponsäure und die Vitamin-B1-Vorstufe Benfotiamin an. Professor Stracke ergänzt: „Benfotiamin ist eine fettlösliche Vorstufe vom Vitamin B1, die der Körper deutlich besser aufnehmen kann als das herkömmliche Vitamin B1. Es hat sich gezeigt, dass der Wirkstoff Neuropathie-Beschwerden wie Kribbeln oder Schmerzen in den Füßen deutlich lindern kann. Gleichzeitig kann das Provitamin die schädliche Wirkung des erhöhten Blutzuckers auf Nerven und Blutgefäße reduzieren.“
Im Gegensatz dazu wirkten die schmerzlindernden Arzneimittel nur gegen die Symptome. Sie müssten wegen möglicher Nebenwirkungen vom Arzt verordnet werden.
Lebensstil verändern, Medikamente reduzieren
Nach Worten von Professor Stracke könne bei Patienten mit Typ-2-Diabetes durch eine Umstellung des Lebensstils im Hinblick auf mehr Bewegung und einen Speiseplan mit gesunder Mischkost sowie Vollkornprodukten die Diabetes-Erkrankung deutlich verbessert werden. Der Experte: „Im Anfangsstadium kann eine entsprechende Lebensweise sogar so erfolgreich sein, dass keine Medikamente mehr erforderlich sind.“
Weitere Informationsquellen für Interessierte
Über Begleit- und Folgeerkrankungen der „Zuckerkrankheit“ gibt das Deutsche Diabetes-Zentrum (DDZ) in verschiedenen Informationsdiensten Auskunft, die über die Homepage ddz.uni-duesseldorf.de erreicht werden – zu den Diensten zählt auch diabetes-heute.de.
Das eigene Diabetes-Risiko kann auf dem Portal Diabetes-Deutschland.de, wissenschaftlich betreut von Professor Dr. med. Werner A. Scherbaum, Direktor der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie des Universitätsklinikums Düsseldorf, getestet werden. Dort finden sich ebenfalls Informationen über das Leben mit Diabetes – auch über Folgeerkrankungen (unter dem Menüpunkt „Erkennen & Behandeln“).
Mehr über aktuelle Forschungsergebnisse rund um Diabetes findet man beim Deutschen Zentrum für Diabetesforschung unter dzd-ev.de.
Menschen mit Diabetes und Interessierte werden auf der Homepage der Aufklärungsinitiative „Diabetes! Hören Sie auf Ihre Füße?“ (hoerensieaufihrefuesse.de) über die diabetische Neuropathie, eine der häufigsten Folgeerkrankungen, informiert.
Zahlreiche Fragen und Antworten zum Thema sind auch nachzulesen auf experten-im-chat.de
Expertentipp zum Thema „Diabetes – gefährliche Folgen verhindern“
Die „Zuckerkrankheit“ zieht häufig einige besonders gefährliche Folgen nach sich. „Dabei handelt es sich um Schäden an Nieren, die Nephropathie, Augen, die Retinopathie, und an Nerven, die Neuropathie“, sagt Prof. Dr. Hilmar Stracke, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechselerkrankungen, Oberarzt an der Medizinischen Klinik und Poliklinik III am Universitätsklinikum Gießen und Marburg. Er warnt: „Diabetes ist die häufigste Ursache, die zu Nierenversagen führt. Augenschäden können zur Erblindung führen.“ Von Nervenschäden ist nach seinen Worten etwa jeder dritte Diabetiker betroffen. Sie seien die Haupt-Ursache für ein Diabetisches Fußsyndrom, das jährlich in Deutschland zu etwa 40.000 Amputationen führe. Wichtigste Maßnahme zur Vorbeugung sei eine möglichst gute Blutzuckereinstellung. Stracke: „Dazu trägt auch erheblich der Lebensstil bei.“
Je früher Nervenschäden erkannt werden, umso besser lassen sie sich behandeln. Denn ab einem gewissen Grad der Nervenschädigung ist diese irreparabel. Daher ist eine Behandlung so wichtig, bevor dieser Punkt erreicht wird. „Erste und wichtigste Maßnahme ist auch hier eine möglichst gute Blutzuckereinstellung“, erklärt der Internist. Außerdem sollten Betroffene Alkohol und Zigaretten meiden, da auch dies die Nerven belastet. Zusätzlich gebe es gut verträgliche, vitaminähnliche Wirkstoffe wie Benfotiamin, die Symptome der Neuropathie lindern könnten. „Das Benfotiamin ist eine für den Körper sehr gut verfügbare Vorstufe vom Vitamin B1, die die Bildung von nerven- und gefäßschädigenden Verzuckerungsprodukten hemmt und auf diese Weise auch Beschwerden wie Kribbeln, Schmerzen oder Taubheit in den Füßen lindern kann“, erklärt Hilmar Stracke. Bei starken Schmerzen könne der Arzt zusätzlich Schmerzmittel verordnen, die gegen die Symptome wirken könnten.
Menschen mit Diabetes sollten laut Stracke die Kontrolltermine beim Arzt wahrnehmen und sich Wissen über die Erkrankung in Schulungen aneignen. Auch der Anschluss an eine Selbsthilfegruppe kann eine große Hilfe sein, um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und voneinander zu lernen.
Die meistgestellten Leserfragen am Expertentelefon
Mein Hausarzt hat bei mir einen Typ-2-Diabetes festgestellt. Die Recherche im Internet macht mir Angst vor schlimmen Folgen – was kann ich tun, um diesen Folgekrankheiten möglichst vorzubeugen?
PD Dr. Alin Stirban, Leitender Arzt Diabetologie und Endokrinologie, Sana Klinikum und MVZ Sana Arztpraxen Remscheid: Das Wichtigste ist eine optimale Einstellung Ihres Blutzuckers. Die Einstellung des Blutdrucks und des Fettstoffwechsels sind gleichermaßen von Bedeutung. Ihr Hausarzt oder Diabetologe kann Sie über die für Sie geltenden Normwerte aufklären. Auf jeden Fall sollten Sie etwa alle drei Monate Ihren behandelnden Arzt aufsuchen. Dabei wird nicht nur die Stoffwechseleinstellung kontrolliert, sondern auch, ob eventuelle Folgeerkrankungen des Diabetes vorliegen. Dies ist wichtig, denn sie lassen sich zu Beginn viel besser behandeln als in fortgeschrittenen Stadien.
Seit einiger Zeit kann ich (65 Jahre, Diabetikerin) nachts kaum schlafen, weil meine Füße so kribbeln. Was könnte die Ursache sein? Gibt es Mittel, die dagegen helfen?
PD Dr. Alin Stirban: Es könnte sich um eine Neuropathie (Nervenschädigung) handeln. Diese kann von Ihrem Hausarzt, Ihrem Diabetologen oder einem Neurologen diagnostiziert werden. herapiemöglichkeiten können schmerzlindernde Arzneimittel, Pflaster zur lokalen Therapie oder die Gabe von vitaminähnlichen Substanzen wie Benfotiamin oder Alpha-Liponsäure sein.
Welche „Zucker“-Folgen sind besonders häufig und gefährlich?
PD Dr. Alin Stirban: Zu den Folgen des Diabetes zählen Nierenschäden (Nephropathie), die in ihrer schweren Form eine Dialyse (Blutwäsche) oder Nierentransplantation erforderlich machen, aber auch Augenschäden (Retinopathie), die zu Erblindung führen können, und Nervenschäden (Neuropathie), die Amputationen nach sich ziehen können. Es ist auch bekannt, dass Patienten mit Diabetes mellitus häufiger einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erleiden.
Mein Arzt hat bei mir eine diabetische Neuropathie festgestellt. Habe ich dadurch auch ein erhöhtes Risiko für weitere Folgeerkrankungen?
PD Dr. Alin Stirban: Leider ja, sprechen Sie bitte mit Ihrem Hausarzt oder Diabetologen darüber und lassen Sie sich untersuchen.
Ich habe gehört, dass Diabetes häufig dazu führt, dass die Nieren versagen. Auf welche Weise kann ich verhindern, dass ich irgendwann eine Dialyse benötige?
Dr. Helga Zeller-Stefan, Fachärztin für Innere Medizin, Ernährungsmedizin und Diabetologie, Diabetes-Zentrum Essen: Lassen Sie Ihre Nierenfunktion regelmäßig von Ihrem Hausarzt oder Diabetologen überprüfen. Zudem sollte Ihr Blutzucker möglichst gut eingestellt sein. Falls Sie unter einem zu hohen Blutdruck leiden, sollte auch dieser behandelt werden. So können Sie einer Niereninsuffizienz (Nierenschwäche), die sich über Jahre zu einem Nierenversagen entwickeln kann, vorbeugen.
Meine Frau klagt immer wieder, dass sie so verschwommen sieht. Ist das nur eine Folge des Alters oder könnte es mit ihrem Diabetes zusammen hängen?
Dr. Helga Zeller-Stefan: Ihre Frau sollte ihre Augen unbedingt vom Augenarzt kontrollieren lassen. Diese Kontrolluntersuchung sollte immer nach Diagnose eines Diabetes Typ 2 erfolgen und jährlich wiederholt werden. So können eventuelle Netzhautschäden frühzeitig erkannt werden. Um der Netzhautschädigung und anderen Folgeerkrankungen des Diabetes vorzubeugen, ist eine gute Blutzuckereinstellung anzustreben. Auch ein hoher Blutdruck sollte möglichst gut eingestellt werden.
Vor Jahren wurde bei mir ein beginnender Altersdiabetes diagnostiziert, aber ich verspüre nichts davon und lebe eigentlich wie zuvor. Oder sollte ich doch etwas beachten?
Dr. Helga Zeller-Stefan: Ein Diabetes verursacht oftmals keine Beschwerden. Trotzdem sollte er ernst genommen werden. Denn der erhöhte Blutzuckerspiegel kann die Blutgefäße und Nerven schädigen und so unbemerkt schwerwiegende Folgeerkrankungen verursachen. Auch wenn Sie sich gut fühlen, sollten Sie sich daher regelmäßig von Ihrem Hausarzt untersuchen lassen. Es ist empfehlenswert, hier auch an Schulungen teilzunehmen, in denen Sie erfahren, wie Sie ihre Erkrankung positiv beeinflussen und Folgeerkrankungen vorbeugen können.
Ich habe gehört, dass man als Diabetiker regelmäßig die Füße untersuchen lassen sollte. Warum ist das so wichtig?
Dr. Helga Zeller-Stefan: Eine häufige Folgeerkrankung des Diabetes ist die diabetische Neuropathie. Dies ist eine Nervenschädigung, die sich meist zuerst durch Empfindungsstörungen in den Füßen bemerkbar macht. Das können zum einen Beschwerden wie Kribbeln, Brennen oder Schmerzen in den Füßen sein, aber auch ein nachlassendes Empfindungsvermögen für Berührungen, Temperaturen oder Schmerzen. Eine nachlassende Sensibilität birgt die Gefahr, dass Wunden oder Druckstellen nicht wahrgenommen werden und sich ein diabetisches Fußsyndrom entwickelt. Dieses kann schlimmstenfalls eine Amputation nach sich ziehen. Die regelmäßige Fußuntersuchung ist daher wichtig.
Als ich meiner Apothekerin von meiner Neuropathie und den kribbelnden Füßen erzählt habe, riet sie mir zu Benfotiamin, um die Beschwerden zu lindern. Was ist das und was habe ich davon zu erwarten?
Prof. Dr. Hilmar Stracke, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechselerkrankungen, Oberarzt an der Medizinischen Klinik und Poliklinik III am Universitätsklinikum Gießen und Marburg:
Benfotiamin ist eine fettlösliche Vorstufe vom Vitamin B1, die der Körper deutlich besser aufnehmen kann als das herkömmliche Vitamin B1. Es hat sich gezeigt, dass der Wirkstoff Neuropathie-Beschwerden wie Kribbeln oder Schmerzen in den Füßen deutlich lindern kann. Gleichzeitig kann das Provitamin die schädliche Wirkung des erhöhten Blutzuckers auf Nerven und Blutgefäße reduzieren.
Mein Diabetologe spricht ständig vom DMP Diabetes. Was verbirgt sich dahinter und kann mir das etwas nutzen?
Prof. Stracke: DMP steht für Disease-Management-Programm. Dabei handelt es sich um ein strukturiertes Behandlungsprogramm bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes. Ärzte, die einem DMP-Programm angeschlossen sind, bieten beispielsweise regelmäßige Schulungen und Untersuchungen an, deren Kosten von den Krankenkassen übernommen werden.
Kann Diabetes geheilt werden?
Prof. Stracke: Grundsätzlich kann bei Menschen mit Diabetes – sowohl Typ 1 als auch Typ 2 – durch eine gute Einstellung des Blutzuckers eine normale Lebensqualität und Lebenserwartung erzielt werden. Patienten mit Typ-1-Diabetes sind aber immer auf eine Insulinbehandlung angewiesen. Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes kann durch eine Umstellung des Lebensstils die Erkrankung deutlich verbessert werden. Im Anfangsstadium kann eine entsprechende Lebensweise sogar so erfolgreich sein, dass keine Medikamente mehr erforderlich sind.
Mein Mann schafft kaum noch die Treppen in unserem Haus, ohne dass er japst und über Schmerzen in der Herzgegend klagt. Ich mache mir Sorgen, er hat schließlich „Zucker“. Kann da ein Zusammenhang bestehen?
Prof. Stracke: Ja, Diabetes und eine koronare Herzerkrankung treten häufig kombiniert auf. Ihr Mann sollte daher sowohl beim Diabetologen als auch beim Kardiologen Rat einholen.