Alt werden ist generell nichts für Feiglinge, aber gerade dem Lebensabschnitt der Wechseljahre sehen viele Frauen mit sehr gemischten Gefühlen entgegen. So ergab etwa eine GfK-Umfrage aus dem Herbst 2015, dass fast jede Zweite verunsichert auf die ersten Anzeichen der Hormonumstellung wie Unregelmäßigkeiten im Zyklus oder Hitzewallungen reagiert. Was kommt auf mich zu, bin ich schon drin, steigt jetzt mein Risiko für bestimmte Erkrankungen – und wie lassen sich Wechseljahresbeschwerden am besten behandeln? Drei erfahrene Fachleute gaben bei unserer großen Ratgeberaktion Antworten.
Am Telefon und im Chat saßen
- Dr. med. Marc Schmidt, niedergelassener Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, München.
- Dr. med. Ute Schäfer, niedergelassene Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Praxis in Marbach.
- Dr. med. Cathrin Grave, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin im Facharzt-Zentrum amedes experts, Hamburg.
Wechseljahre – was kommt da auf mich zu?
Viele Frauen sind sich über den Zeitpunkt der ersten Symptome unsicher, ob etwa schon mit Anfang oder Mitte 40 Beschwerden auftreten können. Dazu erläuterte Dr. med. Cathrin Grave: „Das Nachlassen der Eierstockfunktionen ist mit dem 40. Lebensjahr möglich und dann auch nicht als krankhaft zu bewerten.“ Auch über die mögliche Dauer des Klimakteriums herrscht oft Unklarheit. „Leider sind die Intensität und die Dauer der Wechseljahresbeschwerden bei Frauen sehr unterschiedlich“, stellte Dr. med. Marc Schmidt klar. „Ich betreue Patientinnen, die auch mehr als 10 Jahre nach Einsetzen der Menopause noch Beschwerden haben. Die Fälle, in denen diese nur kurz andauern, sind eher selten.“
Bei der Behandlung ist der Zeitpunkt wichtig
Klimakterische Beschwerden wie Hitzewallungen, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, Nervosität und trockene Schleimhäute können heute mit einer Hormontherapie behandelt werden. Bei eingeschränkter Lebensqualität sollten Betroffene deshalb rechtzeitig zum Arzt gehen, wie Dr. Schmidt riet: „Denn wir wissen heute, dass eine möglichst früh begonnene Hormonbehandlung langfristig den besten Effekt hat.“ Gerade wenn die letzte Regelblutung vor dem 45. Lebensjahr stattgefunden hat, kann dies auch der Vorbeugung von Erkrankungen wie Arteriosklerose und Osteoporose dienen: „Je früher die Patientin in die Wechseljahre kommt, desto eher wäre zum Knochen- und Gefäßschutz auch zu diskutieren, eine Hormontherapie zur Verbesserung der klimakterischen Symptomatik anzubieten“, so Dr. Grave. Denn die weiblichen Hormone beeinflussen unter anderem auch den Knochenstoffwechsel und können laut Studien einer Osteoporose vorbeugen.
Familiäre Vorbelastung berücksichtigen
Die in den vergangenen Jahrzehnten zeitweise negative Bewertung der Risiken einer Hormontherapie verunsichert viele Frauen, wird aber heute von Experten allgemein nicht mehr geteilt. Durch moderne Behandlungsformen wurden diese Risiken deutlich reduziert. So weiß man heute, dass über die Haut zugeführte Östrogene – sogenannte transdermale Präparate wie etwa Gynokadin Dosiergel – das Risiko für Thrombosen und Schlaganfälle nicht erhöhen. Wird ein Gestagen benötigt, zeigt klinisch geprüftes bioidentisches Progesteron Vorteile bezüglich des Brustkrebsrisikos im Vergleich zu synthetischen Gestagenen. „Die eigene Vorgeschichte und die familiäre Belastung sind zudem vor dem Beginn einer Hormonbehandlung immer zu berücksichtigen“, sagte dazu Dr. Schmidt. Progesteron wird zusätzlich zum Östrogen verordnet, wenn die Frau noch eine Gebärmutter hat, um die Gebärmutterschleimhaut vor unkontrolliertem Wachstum zu schützen. Zudem kann das Gelbkörperhormon bei Schlafstörungen hilfreich sein. „Progesteron in mikronisierter Form stimuliert unser Schlafzentrum und kann auch in höherer Dosierung eingenommen werden“, ergänzte Dr. med. Ute Schäfer.
In Form bleiben und gesund leben
Neben den klassischen Beschwerden ist es für viele Frauen schwierig, ihr Gewicht zu halten. „Mit zunehmenden Alter wird unser Stoffwechsel langsamer, und der Körper speichert mehr, als er verbrennt“, so Dr. Schäfer. Als Gegenmaßnahme rät die Frauenärztin zu einem gesunden Lebensstil mit Ernährungsumstellung und mehr körperlicher Aktivität, beispielsweise zum weitgehenden Verzicht auf abendliche Kohlenhydrate und zu einer moderat ausgeübten Ausdauersportart mit Komponenten zum Muskelaufbau. Zudem sollten die Vorsorgeuntersuchungen nicht vernachlässigt werden. Durch regelmäßige Check-ups können mögliche Zellveränderungen oft rechtzeitig erkannt werden.
Weitere Informationen im Internet
- Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hält vielfältige Informationen unter www.frauengesundheitsportal.de/themen/wechseljahre/ bereit.
- Zahlreiche Fakten und Tipps gibt es auch unter www.hormontherapie-wechseljahre.de, dazu einen Selbsttest und kostenlose Broschüren zum Download.
- Der Berufsverband der Frauenärzte informiert ausführlich unter www.frauenaerzte-im-netz.de/koerper-sexualitaet/wechseljahre-klimakterium.
Ein Frauenarzt über Entstehung und Behandlung von Wechseljahresbeschwerden
Wenn mit den Wechseljahren die Produktion von Östrogen und Progesteron zurückgeht, bewirkt das nicht nur das Ausbleiben der Menstruation und damit das Ende der Fruchtbarkeit. Auch viele andere Körperfunktionen sind betroffen. „So sind beispielsweise die Durchblutung der Schleimhäute, die Bildung von Gelenkflüssigkeit, eine stabile Blasenfunktion, ein erholsamer Schlaf und kognitive Fähigkeiten durchaus auch hormonabhängig“, erklärt der Münchener Frauenarzt und Endokrinologie-Experte Dr. med. Marc Schmidt.
Beschwerden gut behandelbar
Der Hormonmangel kann sich vielfältig bemerkbar machen: Hitzewallungen, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, Nervosität, trockene Scheide, Gelenkbeschwerden, eine veränderte Knochenstruktur mit erhöhtem Osteoporose-Risiko, Harninkontinenz, Blaseninfekte, Antriebsstörungen und ein vermehrtes Risiko von Gefäßverkalkungen sind nur einige Beispiele. Etwa ein Drittel aller Frauen spüren mäßige bis starke Symptome. Leidet die Lebensqualität, sollte ein Gynäkologe zu Rate gezogen werden. „Wechseljahresbeschwerden lassen sich gut behandeln“, so Dr. Schmidt. „Dabei stehen immer die individuellen Symptome und die jeweilige Risikosituation im Vordergrund. Einigen Erkrankungen wie etwa der Osteoporose kann sogar vorgebeugt werden.“
Kann eine Frau sich eine Hormontherapie vorstellen, sollte sie nicht zu lange warten. „Wir wissen heute, dass eine möglichst früh begonnene Hormonersatztherapie den besten Effekt auf den Organismus hat. Dabei hat sich herausgestellt, dass eine moderne Behandlung mit sogenannten natürlichen oder bioidentischen Hormonen sinnvoll ist. Hier hat sich die Kombination aus körpereigenen Östrogenen, etwa mit Gynokadin Dosiergel über die Haut und dem Gelbkörperhormon Progesteron in Kapselform zum Schlucken wie Utrogest, bewährt. Auch Hormonpflaster können angewendet werden“, fasst der Frauenarzt die aktuellen Erkenntnisse zusammen.
Weiterhin zur Vorsorge
Frauen können während der Wechseljahre aber auch selbst viel für sich tun. „Die Vermeidung von Übergewicht, eine gesunde Ernährung mit wenig Alkohol, der Verzicht auf das Rauchen, ausreichend Bewegung und genug Schlaf tragen zur allgemeinen Gesundheit und zum Wohlbefinden bei“, ergänzt Dr. Schmidt. Außerdem sollten auch nach der Menopause die regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen beim Frauenarzt wahrgenommen werden. So komme etwa Brustkrebs am häufigsten bei Frauen über 50 vor. Aber auch für Gebärmutter, Eierstöcke, Eileiter und Scheide seien regelmäßige Check-ups wichtig.
Die wichtigsten Leserfragen beim Expertentelefon „Wechseljahre“ am 17.10.2018
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Seit etwa zwei Jahren leide ich (53) unter erheblichen Wechseljahresbeschwerden. Wie lange kann das noch weitergehen?
Dr. med. Marc Schmidt, niedergelassener Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, München: Leider sind die Intensität und die Dauer der Wechseljahresbeschwerden bei Frauen sehr unterschiedlich. Sie können sich durchaus über mehrere Jahre hinziehen. Ich betreue Patientinnen, die auch mehr als zehn Jahre nach Einsetzen der Menopause noch Beschwerden haben. Die Fälle, in denen diese nur kurz andauern, sind eher selten.
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Meine Regel bekomme ich seit dreizehn Monaten nicht mehr, ist es da für eine Hormonbehandlung schon zu spät?
Dr. Schmidt: Die ausbleibende Monatsblutung ist auf die nachlassende Eierstockfunktion zurückzuführen. Da Sie bereits über zwölf Monate blutungsfrei sind, befinden Sie sich schon in der Postmenopause – die sogenannte Menopause bezeichnet die letzte Monatsblutung in der fruchtbaren Lebensphase einer Frau. Nach zwölf Monaten Blutungsfreiheit wird davon ausgegangen, dass die Menstruationsblutung endgültig ausbleibt. In der frühen Postmenopause produzieren die Eierstöcke zwar noch Hormone, aber deutlich weniger. Somit ist eine Hormonbehandlung hier auf jeden Fall sinnvoll. Denn wir wissen heutzutage, dass eine möglichst früh begonnene Hormonbehandlung langfristig den besten Effekt hat.
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Wegen extremer Hitzewallungen würde ich gerne eine Hormonbehandlung machen. Ich habe aber gehört, dass dadurch das Brustkrebsrisiko steigt. Stimmt das?
Dr. Schmidt: Das Brustkrebsrisiko bei einer Hormonbehandlung ist sehr stark von der Art, Dosierung und der Therapiedauer abhängig. So wissen wir heute, dass Östrogene alleine das Risiko nicht oder nur kaum erhöhen. Wird eine Kombination mit einem Gestagen benötigt, weil die Gebärmutter noch vorhanden ist, kann natürliches Progesteron eingesetzt werden. Laut Beobachtungsstudien ist das Risiko für Brustkrebs bei einer Anwendung von bis zu fünf Jahren nicht erhöht. Darüber hinaus sind die eigene Vorgeschichte und die familiäre Belastung vor dem Beginn einer Hormonbehandlung immer zu berücksichtigen.
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Bei mir wurde kürzlich mit 49 eine starke Osteoporose festgestellt. Da ich bald in die Wechseljahre kommen müsste, überlege ich, ob eine Hormontherapie jetzt schon sinnvoll sein könnte?
Dr. Schmidt: Eine Hormontherapie zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden beeinflusst tatsächlich auch den Knochenstoffwechsel. Sie unterstützt den Knochenaufbau und hemmt den Knochenabbau. Bei noch regelmäßigem Zyklus sind die Hormone ausreichend vorhanden, sodass die festgestellte Osteoporose im vorliegenden Fall nicht hormonbedingt sein kann. In der Peri- oder Postmenopause hingegen kann eine frühzeitige Hormontherapie durchaus sinnvoll sein, um einen weiteren hormonell bedingten Knochenabbau zu bremsen. Hierbei sei jedoch zu erwähnen, dass nicht alle Hormonersatztherapie-Präparate behördlich auch zur Behandlung einer Osteoporose zugelassen sind. Die Entscheidung, mit welcher Medikation die Osteoporose behandelt wird, liegt beim Arzt.
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Ich bin 55 und seit Beginn der Wechseljahre ganz schön aus der Form geraten. Wie kann ich das ändern und mich in meinem Körper wieder wohlfühlen?
Dr. med. Ute Schäfer, niedergelassene Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Marbach: Mit zunehmendem Alter wird unser Stoffwechsel langsamer – und der Körper speichert mehr, als er verbrennt, sofern nicht gleichzeitig die Kalorienaufnahme reduziert oder die Aktivität erhöht wird. Durch die Wechseljahre speichert der Körper daher häufig mehr Fett und man neigt dazu, insbesondere am Bauch zuzunehmen. Ich rate Ihnen zu einer Ernährungsumstellung in Kombination mit mehr körperlicher Aktivität, zum Beispiel weitgehender Verzicht auf abendliche Kohlenhydrate und eine Ausdauersportart mit Komponenten zum Muskelaufbau. Alles in moderater Form und nicht als Extremprogramm. Man sollte mit sich selbst nachsichtig umgehen, sonst bleibt man nicht lange dabei.
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Gibt es eigentlich natürliche Mittel gegen Wechseljahresbeschwerden? Ich würde mich gern behandeln lassen, aber so schonend wie möglich.
Dr. Schäfer: Es gibt einige pflanzliche Präparate, welche bei geringen Beschwerden durchaus Linderung bringen können, zum Beispiel Extrakt aus der Silbernachtkerze und aus sibirischem Rhabarber. Sie können gerne versuchen, ob Ihr Körper darauf positiv reagiert. Auch über die Einnahme natürlicher Mittel sollten Sie mit Ihrem Frauenarzt sprechen.
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Ich bin 53 und leide seit Jahren unter Schlafstörungen. Meine Ärztin hat mir nun die Einnahme von Progesteron-Tabletten empfohlen. Kann mir das helfen?
Dr. Schäfer: Progesteron in mikronisierter Form stimuliert unser Schlafzentrum und kann auch in höherer Dosierung eingenommen werden. Sollte sich die gewünschte Wirkung nicht einstellen, rate ich Ihnen, Ihre Frauenärztin aufzusuchen. Zuvor wäre es aber wichtig zu wissen, ob Sie noch Blutungen haben oder unter Wechseljahresbeschwerden leiden.
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Seit einiger Zeit leide ich, 44, unter starkem Schwitzen. Auch psychisch geht es mir nicht gut, und ich fühle mich oft abgeschlagen. Die Periode kommt unregelmäßiger als sonst. Können das schon die Wechseljahre sein, ich bin doch eigentlich zu jung dafür?
Dr. Grave, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin im Facharzt-Zentrum amedes experts, Hamburg: In jedem Fall könnte es sich bereits um ein Nachlassen der Ovarialfunktion handeln, mit entsprechenden Beschwerden. Das Nachlassen der Eierstockfunktionen ist ungefähr ab dem 40. Lebensjahr möglich und dann auch nicht als krankhaft zu bewerten. Findet die letzte Regelblutung vor einem Alter von 45 Jahren statt, spricht man von einer frühen Menopause. Das Eintreten von Zyklusunregelmäßigkeiten und klimakterischer Symptome ist jedoch normal. Je früher die Patientin in die Wechseljahre kommt, desto eher wäre zum Knochen- und Gefäßschutz auch zu diskutieren, eine Hormontherapie zur Verbesserung der klimakterischen Symptomatik anzubieten.
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Mit 56 kamen die ersten Anzeichen meiner Wechseljahre sehr spät. Jetzt bin ich 61 und habe noch immer Beschwerden. Kann ich auch in meinem Alter noch eine Hormonbehandlung anfangen? Man soll diese doch unter 60 beginnen?
Dr. Grave: Ihre Situation kann nur individuell im Rahmen einer Sprechstunde beantwortet werden. Sollte bei Ihnen kein Risikofaktor bestehen, der gegen den Beginn einer Hormontherapie spräche, und sollten die beklagten Beschwerden eindeutig auf die Wechseljahre zurückzuführen sein, wäre durchaus zu diskutieren, eine transdermale Hormonersatztherapie zu beginnen.
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Meine Freundin macht eine Hormonersatztherapie nur mit einem Östrogen-Gel und verträgt das sehr gut. Mir will der Frauenarzt aber zusätzlich zum Gel noch Tabletten verschreiben. Wozu soll das gut sein?
Dr. Grave: Bei ihrer Freundin wurde vermutlich die Gebärmutter entfernt und bei Ihnen ist die Gebärmutter noch vorhanden. Eine Frau mit Gebärmutter, die eine Hormontherapie erhält, benötigt neben dem Östrogen zusätzlich ein Gestagen, beispielsweise natürliches Progesteron, damit die Gebärmutterschleimhaut unter der Östrogen-Gabe vor unkontrolliertem Wachstum geschützt wird. Deswegen brauchen Sie zusätzlich die Progesteron-Kapseln zum Schlucken, die Ihnen Ihr Arzt verschrieben hat.