Die Situation ist vielen Autofahrern im Herbst nur allzu gut bekannt: Die Dämmerung bricht früher herein, die Lichtverhältnisse sind diffus – und plötzlich taucht ein Reh oder ein Wildschwein im Scheinwerferlicht auf. Allein von April 2012 bis März 2013 gab es nach Angaben des Deutschen Jagdverbands (DJV) auf deutschen Straßen über 230.000 Wildunfälle, die Tendenz ist seit Jahren steigend. Vor allem die Zahl der Unfälle mit Schwarzwild – also Wildschweinen – ist deutlich gestiegen, nämlich um ein Drittel gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Besonders betroffen sind die Bundesländer Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Baden-Württemberg. „Im Herbst ist die Unfallgefahr besonders groß“, sagt Karsten Peiffer, Forstamtsleiter im niedersächsischen Clausthal. „Denn Rot- und Schwarzwild ist in dieser Jahreszeit besonders aktiv.“ Peiffer rät den Autofahrern deshalb vor allem nachts zur Vorsicht: „Erst wenn es dunkel wird, gehen beispielsweise Wildschweine auf Nahrungssuche.“
So lassen sich Unfälle vermeiden
Taucht am Straßenrand ein Tier auf, dann ist fast immer mit weiteren Tieren zu rechnen. Besonders bei Wildschweinen folgen meist sehr viele Tiere dem ersten. Generell lassen sich Wildunfälle durch umsichtiges Fahren oft vermeiden. „Viele Tiere könnten noch leben, wenn die Autofahrer rücksichtsvoller fahren würden“, so Karsten Peiffer. Leider würden Autofahrer Warnschilder am Straßenrand aber häufig übersehen oder ignorieren und in Waldgebieten zu schnell fahren. Peiffer empfiehlt, in solchen Gebieten vor allem in der Dämmerung und nachts 80 Stundenkilometer nicht zu überschreiten, bei Regen, Schnee oder Nebel müsse das Tempo noch weiter gedrosselt werden. Außerdem sollte man die Fahrbahnränder genau beobachten. Die Augen der Tiere reflektieren das Scheinwerferlicht. „So kann man die Tiere bereits bemerken, ohne sie selbst schon vollständig erkannt zu haben“, erklärt Peiffer. Tauche ein Tier allerdings unmittelbar vor dem Auto auf, wäre es falsch, riskante Ausweichmanöver zu versuchen. Dann, so Peiffer, helfe nur der kontrollierte Aufprall. Es sei dann besser, einen Wildunfall hinzunehmen, als bei einer Vollbremsung von der Straße abzukommen und gegen einen Baum zu prallen.
Unfallstelle sofort sichern
Ist es doch zum Zusammenstoß mit einem Tier gekommen, sollte der Fahrer so schnell wie möglich die Unfallstelle sichern. Er sollte sein Fahrzeug am Straßenrand abstellen, die Warnblinkanlage einschalten und das Warndreieck aufstellen. Totes Wild sollte man nur an den Straßenrand ziehen, wenn dies ohne Gefährdung möglich ist. Karsten Peiffer: „Ganz besonders wichtig ist es, sich den Unfallort genau zu merken. Das geht am einfachsten, indem man die Stelle mit Taschentüchern, die an tief hängende Äste oder hoch stehende Pflanzen geknotet werden, oder mit anderen hellen Gegenständen am Fahrbahnrand markiert.“ Nach einem Wildunfall sollte grundsätzlich die Polizei informiert werden, damit diese die zuständigen Förster oder Jäger benachrichtigt. „Nur so können Spezialisten geflüchtetes und verletztes Wild finden und erlösen. Verletzte Tiere müssen sonst über Stunden hinweg qualvoll leiden“, so Karsten Peiffer. Sachschäden am eigenen Pkw sind nach einem Wildunfall übrigens durch die Teilkaskoversicherung gedeckt.
Warnreflektoren sollen Wildunfälle verhindern
Der Jäger Konrad Löhnert aus Bayreuth hat einem Bericht der Zeitschrift „Auto, Motor und Sport“ (Heft 16/2014) zufolge Warnreflektoren entwickelt, mit denen die Zahl der Wildunfälle reduziert werden soll. Der blaue Halbkreisreflektor wird auf der straßenabgewandten Seite an die Leitpfosten geschraubt. Wenn nun ein Auto im Dunkeln die Stelle passiert, kommt es zu einer bläulichen Reflexion, die eine Bewegung simuliert und das Wild verscheuchen soll. Zwei Forschungsprojekte untersuchen mittlerweile, ob der Reflektor nachweislich eine schützende Wirkung für das Wild hat. 2015 sollen Ergebnisse vorliegen.