Die Welt des Glückspiels hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit der zunehmenden Popularität des Internets stark gewandelt – ein Trend, der seit 2020 weiter beschleunigt. Statt eine Spielbank zu besuchen, in einer Kneipe an einem Automaten zu zocken oder Wetten beispielsweise im Pferde- oder Motorsport bei Besuch eines Live-Events abzugeben, zockte man nun online. Lotto und Toto werden von den vielseitigen Angeboten im Internet immer weiter ins Abseits gedrängt, vor allem Live-Casino Spiele bieten einfach weitaus größeren Unterhaltungswert, und das überall und jederzeit, bequem auf dem Smartphone. Bedeutet dies verstärkte Risiken hinsichtlich Suchtverhalten und Jugendschutz, oder ergeben sich daraus vor allem neue Möglichkeiten zur sozialen Interaktion wie auch zu mentalem Training?
Das Angebot von Online-Casinos ist im Laufe der letzten Dekade stetig gewachsen. Neben Slots sind vor allem auch die Live-Streams von klassischen Glückspielen wie Roulette, Black Jack und Poker in Deutschland extrem beliebt. Und das, obwohl Zocken im Internet bisher gar nicht legal war, oder vielmehr ein gesetzlicher Graubereich. Dass man hierzulande dennoch munter im Internet um bares Geld wetten konnte, lag ganz einfach daran, dass die Anbieter der Casinos ihre Server im Ausland stehen hatten – wie beispielsweise auf Malta, Gibraltar oder der Isle of Man, wo Internet-Gambling offiziell erlaubt war. Milliardenbeträge flossen ins Ausland ab, auch versteuert werden konnten diese Einnahmen natürlich nicht, gleichzeitig hatte der regulierte Glückspielbereich wie terrestrische Casinos und Lotterien das Nachsehen. Während Schleswig-Holstein seit vielen Jahren einen Sonderweg ging und bestimmten Online-Anbietern Lizenzen gewährte, sahen sich die übrigen Länderregierungen unter Zugzwang – was letztendlich zum neuen, länderübergreifenden Glückspielstaatsvertrag führte, der nun am 1. Juli 2021 in Kraft trat. Ohne ein gehöriges Maß Skepsis erfolgte dessen Einführung jedoch nicht, zumal man sich trotz des strengen und umfassenden Regelwerks um Sucht- und Spielschutz Gedanken macht.
Eine neue Aufsichtsbehörde soll die Lizenzvergabe, Einhaltung der Reglementierungen sowie das ordnungsgemäße Anlegen von Spielerkonten überwachen. Kritik daran besteht daran schon jetzt, da diese sich noch im Aufbau befindet, obwohl der neue Staatsvertrag bereits in Kraft getreten ist. Generell darf jeder Spieler anbieterübergreifend nur 1.000 Euro im Monat einzahlen, auch wird nun gefordert Werbung für die Online-Casinos nicht wie vorhergesehen ab 21 Uhr, sondern erst nach 23 Uhr auszustrahlen. Die Länder selbst wollen die Mehreinnahmen aus den deutschen Casino-Angeboten zur verstärkten Suchtprävention nutzen – Hessen beispielsweise sieht schon jetzt vor, jährlich eine Million Euro in derartige Maßnahmen zu investieren.
Trotz der Skepsis und Sorge um verstärktes Suchtverhalten und dass aufgrund des Online-Angebots ein weitaus jüngeres Publikum zum Zocken animiert wird, ist der Trend von Online-Slots und Live-Casinos nicht länger aufzuhalten. Darüber hinaus sehen Verfechter des Geschäftsmodells, aber auch Psychologen viele positive Begleiterscheinungen, die sich aus dem Spielen im Internet ergeben.
Zum einen ergibt sich ein sozialer Faktor – zwar sitzen die Gambler in der Regel allein daheim, dennoch sind sie gerade bei den Streaming-Angeboten mit Gleichgesinnten verbunden. Ganz gleich, ob Glückspiele im Internet oder Konsolenspiele – in den vergangenen Monaten, als Menschen in erster Linie voneinander isoliert lebten und es kaum gesellschaftlichen Ausgleich gab, wurden diese digitalen und virtuellen Interaktionen umso wichtiger. Einfach vom Alltag und Stress abschalten, gemeinsam einem Hobby nachgehen und dabei vielleicht sogar echte Gewinne verbuchen und die Haushaltsasse aufbessern: all dies mag viele positive Effekte auf den mentalen Zustand genommen haben, während die Gefahren in die Spielsucht zu verfallen vergleichsweise gering sind. Erhebungen aus dem Jahr 2019 ergaben, dass unter den Glückspielenden bei rund 229.000 Menschen Suchtgefahr besteht, während 36,3 Prozent der Internet-Zocker im Monat nur bis zu 10 Euro ausgeben, 37,5 Prozent zwischen 10 und 50 Euro und nur 10,9 Prozent über 100 Euro. Generell liegt die Wahrscheinlichkeit pathologischen Spielverhaltens bei 17- bis 70-Jährigen bei durchschnittlich 0,34 Prozent und problematischen Glückspiels bei 0,39 Prozent, wobei Männer etwas stärker gefährdet sind als Frauen
Während die Gefahren statistisch also gering sind, lässt sich über viele weitere Vorteile diskutieren, besonders in Zeiten, in denen E-Learning und Gamification auch im beruflichen Bereich beliebte Schlagwörter sind. Kinder und Jugendliche, aber erwiesenermaßen auch Erwachsene lernen spielerisch besser – die Gründe dafür lassen sich psychologisch nachweisen: zum einen sind Lerninhalte und mentales Training online in der Regel interaktiver und verstärken somit die aktive Lernbeteiligung. Zum anderen wirken sich Lernmodelle, die auch das Erreichen von bestimmten Zielen wie dem Aufschließen neuer Level, Prämien und „Badges“ sowie Winner-Boards positiv auf die Motivation aus. Locken dann zudem Echtgeldgewinne, bleibt man gerne am Ball.
Seit langem wird diskutiert, ob bestimmte Casinospiele in erster Linie überhaupt mit Glück zu tun, haben, oder vielmehr schlaue Denk-, Strategie- und Geschicklichkeitsspiele sind, die das Denken fördern – und sich damit auch positiv auf andere Lebensbereiche auswirken. Gerade Pokern erfordert beispielsweise gute Beobachtungsgabe und psychologisches Geschick, um einerseits das Verhalten der Gegner durchschauen zu können, andererseits selbst auch in stressreichen Situationen das berühmte „Pokerface“ zu wahren, was wiederum erhebliche Vorteile bei geschäftlichen Verhandlungen haben kann.
Zudem kann sich Spielen, auch Online, positiv auf den Geisteszustand auswirken und sogar Depressionen verhindern. Viele Studien haben bereits widerlegt, dass Gaming bei Kindern zu Gewaltverhalten führt, stattdessen finden immer mehr Psychotherapeuten Beweise dafür, dass gerade Menschen mit depressivem Verhalten ihre negativen Gefühle mit bestimmten Spielen lindern können. Online-Games verstärken dabei nicht zwingend die Einsamkeit, sondern können im Gegensatz einen sicheren Zufluchtsort darstellen.
Sogar ältere Menschen profitieren geistig von elektronischen Spielen. Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass sich Computer-Games ähnlich auf die Gehirnstruktur von Senioren auswirken wie körperliche Bewegung, und in deren Ermangelung dabei helfen können Demenzerkrankungen vorzubeugen. Wenngleich wohl niemand dazu rät, dass Bewohner von Altenheimen verstärkt im Internet um Geld zocken sollen, weist dies dennoch darauf hin, dass Gambling Online neben positiven sozialen Aspekten und einer gewissen Lernerfahrung auch das Hirn auf Trab halten kann.